Vinzenz Schöttl

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Vinzenz Schöttl

Lebenslauf eines NS-'Ideals'

SS-Mann, 'Fürsorger' und KZ-Verbrecher Vinzenz Schöttl (1905-1946): ein biografischer Abriss

Lebensdaten:

  • Geboren: 30. Juni 1905 in Appersdorf 
  • Gestorben: 28. Mai 1946 in Landsberg

Frühes Leben und NSDAP-Mitgliedschaft:
Nach dem Abschluss der Volksschule arbeitete Schöttl als Bürodiener und Kassier. Mit 23 Jahren heiratete er Anna Schöpf, mit der er insgesamt fünf Kinder hatte. 1928 trat er der NSDAP bei und ein Jahr später der SS. Ab dem 22. Februar 1933 war er im KZ Dachau tätig, wo er sich durch brutales Vorgehen gegen Häftlinge, insbesondere gegen jüdische Gefangene, hervortat. 1935 wurde er zum SS-Oberscharführer befördert.

Karriere im SS-Lagersystem:
Ab 1937 wurde Schöttl zusammen mit zwei weiteren SS-Wachmännern nach Herzogsägmühle versetzt, wo er die Aufsicht über Insassen führte. Er war dafür verantwortlich, Häftlinge ins KZ Dachau und andere Lager zu überstellen. Im Verlauf des Krieges war er in verschiedenen Konzentrationslagern tätig, darunter Lublin, Oranienburg, Neuengamme, Majdanek, Auschwitz-Monowitz und Dachau, wo er in verschiedenen Funktionen, darunter als Lagerführer, tätig war.
Schöttl erwarb sich im SS-System Ansehen als pflichtbewusster Täter, der die Befehle der Nationalsozialisten loyal ausführte. Besonders brutal war seine Rolle im Umgang mit jüdischen Häftlingen in Dachau, was ihm auch mehrere Beförderungen einbrachte.

Kriegsverbrechen und Verurteilung:
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Schöttl im ersten Kriegsverbrecherprozess in Dachau angeklagt. Zeugenaussagen von überlebenden Häftlingen belegen seine direkte Beteiligung an der Ermordung mehrerer Gefangener. Für seine Verbrechen wurde er zum Tode verurteilt und am 28. Mai 1946 in Landsberg gehängt.

Zusammenfassung:
Schöttl, der sich selbst als "Fürsorger" sah, spielte eine aktive und brutale Rolle im NS-Lagersystem. Seine Tätigkeit in den verschiedenen Konzentrationslagern und seine unbarmherzige Umsetzung der NS-Ideologie führten zu zahlreichen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Nach dem Krieg wurde er für seine Vergehen zur Verantwortung gezogen und hingerichtet.

Was NS-Täter ausmachte

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Archiv Diakonie Herzogsägmühle

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Schöttl war seit 1. Januar 1931 SS-Mitglied und seit dem 11. September 1938 "Untersturmführer".

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NSDAP-Gaukartei, Bundesarchiv R 9361-IX KARTEI / 39241050

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NSDAP-Mitgliedsausweis von Vinzenz Schöttl.

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https://www.youtube.com/watch?v=b66BzfFNUbM

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Schöttl (links) mit anderen SS-Männern.

Schöttl machte innerhalb der NS-Strukturen Karriere. Er nutzte sozusagen seine Chance. Denn als einfacher Mann mit beschränkter Bildung, der als Bürodiener gearbeitet hatte, war eine große berufliche Entwicklung für ihn eher ungewöhnlich. Politische und moralische Bedenken kamen bei ihm offenbar nicht auf. Er vernetzte sich und setzte alles auf die Karte der Nationalsozialisten. Das ebnete ihm nach 1933 den Weg zu einem Dienst im Unterdrückungs- und Militärapparat des Regimes. Sich unterordnen, die NS-Ideologie vertreten, skrupellos sein und kein Problem mit Gewaltanwendung gegen andere Menschen haben – das waren die Kriterien, die Schöttl auszeichneten. 

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Warum war Schöttl ein Täter?

Simple Motive ...

  • In einem Brief vom 29. April 1940 berichtet Vinzenz Schöttl Alarich Seidler über seinen Kriegseinsatz in Polen:
    Er äußert sich sehr abfällig über das Land und seine Menschen. Überall sehe er nur Dreck und Unordnung. Die von ihm als Juden und Polen bezeichneten Menschen empfindet er als "ekelhaft".  Beim Vormarsch der deutschen Truppen, denen er angehörte, sei er mit seinen Kameraden auf einem Bauernhof einquartiert gewesen. Dort haben die "hüfhoch im Mist" gestanden. Man habe daher "deshalb gleich Ordnung gemacht." Und dann kommt Schöttl auf ganz persönliche Ziele zu sprechen: "Ich denke, dass es nach Kriegsende schon irgendeine Möglichkeit ein verwahrlostes Gut zu bekommen gibt, ich muß nur aufpassen, diese Idee lasse ich nicht mehr aus dem Kopfe."
  • Und am 14. Mai 1940 berichtet Schöttl an Seidler:
    Er [Schöttl] habe sich entschlossen, auf die "Führerschule" zu gehen, um voranzukommen. Sein Ziel sei es, Untersturmführer der SS zu werden. Dieser Rang werde "von der Wehrmacht als Leutnant der Reserve anerkannt. Sollte ich das erreichen, so wäre ich sehr stolz darauf. Könnte dann am Wanderhof mehr repräsentieren als wie so."

unfol. (erster Brief in der Akte), Schöttl an Seidler, 29.4.1940; unfol. 14. Mai 1940, Schöttl an Seidler

'Fürsorge' und Ideologie verschwimmen

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© Digitale Lernwelten GmbH (auf der Grundlage von Aufnahmen aus dem Archiv Diakonie Herzogsägmühle)

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Alarich Seidler (links) und Vinzenz Schöttl (rechts): zwei alte Bekannte in der NS-Terrorwelt

Schöttl unterhielt einen Briefwechsel mit dem Vorsitzenden des "Bayerischen Landesverbands für Wander- und Heimatdienst" (LVW) Alarich Seidler, der zugleich für die Geschäfte des Wanderhofs Herzogsägmühle zuständig war. Seidler war ein langjähriges Mitglied der NSDAP und machte schon 1933 in Bayern Karriere – zunächst innerhalb der Partei, später auch in verschiedenen staatlichen Funktionen. Er begründete 1934 den Bayerischen Landesverband für Wander- und Heimatdienst (LVW). Bis zum Ende des Regimes 1945 blieb er dessen Vorsitzender. Seidler, der auch enge Kontakte zum Konzentrationslager Dachau hatte, förderte Leute wie Schöttl, die ihm treu ergeben waren und die er wahrscheinlich als Muster der neuen Funktionsschicht des NS-Staates sah. Seidler galt als einer der auch der theoretischen 'Begründer' und 'Neugestalter' der 'Fürsorge' im Dritten Reich. Das bedeutet, er legte die furchtbare NS-Ideologie für den Wohlfahrts- und Fürsorgebereich aus. Darüber schrieb er auch ein umfangreiches Buch. Wer seine dortigen Überlegungen und die Realität der 'Fürsorge' in Einrichtungen wie dem Wanderhof Herzogsägmühle zusammen betrachtet, erkennt zweierlei:

  • was das Regime wirklich wollte: in Herzogsägmühle herrschte ein hartes Regime mit Drill, Zwangsarbeit, Unterernährung, mangelnder medizinischer Versorgung und Unterdrückung
  • die Unterschiedslosigkeit zwischen staatlichen und Parteieinrichtungen: Für Menschen wie Seidler und Schöttl gab es keine Unterschiede zwischen Polizei, Justiz, Konzentrationslagern sowie 'Fürsorge'-, 'Wohlfahrts'- und 'Gesundheitseinrichtungen'. Menschen, die in die Fänge dieser Einrichtungen gerieten, konnten zwischen diesen hin- und hergeschoben werden. Ganz schnell kamen Menschen, die nicht der NS-Ideologie entsprachen, also auch vom Wanderhof ins KZ, etwa nach Dachau.
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Darstellung

Schöttl – die "Bestie von Dachau" – und sein Weg

Insbesondere nach Einberufung Schöttls zum Kriegsdienst wird deutlich, dass Einrichtungen wie der Wanderhof Herzogsägmühle für die Täter wie die Vorstufe eines Lagersystems waren, die bereits den kollektiven Organisations- und Unterdrückungsvorstellungen des "SS-Staats" (Eugen Kogon) entspricht. Schöttl tat zuerst Dienst im KZ Dachau. Weil SS und Polizei eng zusammenarbeiteten, wurde er 1937 mit zwei weiteren aus der SS-Wachmannschaft des Konzentrationslagers Dachau stammenden Männern in den Wanderhof Herzogsägmühle abgestellt. Er tat seinen Dienst im sogenannten Lindenhof. Dort konnte er als sogenannter 'Fürsorger' weitere Erfahrungen in der Befehligung zwangseingewiesener Menschen sammeln. Er überwachte, dass die Eingewiesenen zum Appell kamen, die harte Arbeit – etwa beim Holzeinschlag im Wald – ausführten und sich sonst nicht auffällig verhielten.

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Aufgabe (Basis)

NS-Verbrecher und NS-Verbrechen

Erarbeiten Sie die folgenden Aufgaben auf dem Miro-Board:

  1. Verallgemeinern Sie anhand von Vinzenz Schöttl, auf welche Personen und Eigenschaften die Nationalsozialisten setzten, um ihre Politik umzusetzen. Gehen Sie dabei auf die Aspekte: Bildungsstand, Beruf, Charakter und persönliche Zielsetzungen ein.
  2. Erläutern Sie den totalitären Charakter des Nationalsozialismus auf der Grundlage der Elemente 4 und 5.

Schöttl als 'Fürsorger' in Herzogsägmühle

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Vinzenz Schöttl wurde am 8. Juli 1937 offenbar auf Vermittlung des Geschäftsführers Alarich Seidler in Herzogsägmühle eingestellt. Aus dem Angestelltenvertrag vom 7. Juli 1937 geht hervor, dass er ein Gehalt von 120 Reichsmark im Monat bekam, dazu freie Kost und Logis, die kostenlose Reinigung der Wäsche, den Zugriff auf eine gewisse Menge Alkohol sowie ab und an neue Schuhe zum Selbstkostenpreis. Im Laufe der Zeit stieg seine Entlohnung auch. Durch die vielfachen geldwerten Zusatzleistungen hatte er sein Gehalt praktisch zur freien Verfügung. Schöttls vorherige Beschäftigungen werden mit "Bürodiener und Kassier" angegeben. Er hatte die Volksschule besucht. Mindestens seit 1933 machte er aktiven Dienst in der SS, war aber bereits am 1. Januar 1931 in die SS eingetreten. Schon seit dem 1. November 1928 war er Mitglied der NSDAP. 

SS-Leute und ihr Verhalten in Herzogsägmühle

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Als Angehörige der SS musste nicht nur Schöttl, sondern auch seine Frau Anna Schöttl sowie seine drei Kinder in Herzogsägmühle unter Beweis stellen, dass sie die Privilegien ihres Lebens im nationalsozialistischen Deutschland verdienten. Sie wurden beobachtet und ein 'Fehlverhalten' (nach NS-Kriterien) konnte ihnen zu Last gelegt werden.

Die Familie Schöttl musste also als NS-Vorzeigefamilie funktionieren und sich von anderen beobachten und beurteilen lassen. Und jederzeit konnten sie ihr angenehmes Privatleben mit guter Bezahlung und vielen Zusatzvergünstigungen auch wieder verlieren. Einmal geriet zum Beispiel Anna Schöttl in Verdacht und wurde durch den Kommandanten des KZs Dachau Hans Loritz im Jahr 1937 wegen ihres Lebenswandels gemaßregelt. Er drohte ihr ganz offen. 

Dieser Vorgang macht deutlich, dass die Verknüpfungen zwischen dem KZ und dem Wanderhof immer enger wurden und sich etwa auch auf dienstliche und disziplinarische Fragen des Personals erstreckten. Vielleicht deshalb war Schöttl in Herzogsägmühle unter seinen Kollegen nicht durchweg sehr beliebt.

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Archiv Diakonnie Herzogsägmühle

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Lieferung von Zeitungen an Schöttl: die Kosten trug der Wanderhof Herzogsägmühle (1940)

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Archiv Diakonie Herzogsägmühle

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Zahlung der Geburtsbeihilfe für das 5. Kind des Ehepaars Schöttl (1940)

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Archiv Diakonie Herzogsägmühle

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Eintreibung von Angestelltenschulden durch die Lohnbuchhaltung von Herzogsägmühle: bei Schöttl "zurückstellen!" (1940)

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Quelle

Der Kommandant des KZs Dachau Hans Loritz an Anna Schöttl: "Machen Sie nun eine SS-Frau, wie es sich gehört, sonst ..." (1937)

„Ich habe durch maßgebliche Personen der Herzogsägmühle erfahren, dass Sie Ihren Haushalt unsauber halten und oft erst sehr spät aufstehen. Ich mache Sie darauf aufmerksam Frau Schöttl, dass ich Ihnen nicht geholfen habe, damit Sie jetzt in Schlamperei schwelgen können. Wenn ich nicht bald besseres von Ihnen höre, dann kann sein, dass ich durch Vermittlung Ihres Mannes Sie zur Ordnung zwingen lasse. Ich habe gedacht, dass Sie das, was ich für Sie getan habe, anders einschätzen. Machen Sie nun eine SS-Frau, wie es sich gehört, sonst werde ich mich nicht scheuen, meine damaligen Zusagen sofort zurückzuziehen.“ 

Hinweis:
Es ist nicht mit letzter Sicherheit zu sagen, wer die von Hans Loritz erwähnten „maßgeblichen Personen“ waren. Es könnte sich um seinen Adjutanten, SS-Hauptscharführer Max Kögel (1895–1946) handeln, der immer wieder zu Besuch in Herzogsägmühle war.

zitiert nach: Annette Eberle, „Mit dem Führer durch dick und dünn“: SS-Fürsorger, KZ-Schutzhaftlagerführer und Kriegsverbrecher Vinzenz Schöttl, Diakonie Herzogsägmühle.

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Ansichten und Verhaltensweisen eines Verbrechers, der sich für einen Fürsorger hält: ein Brief von Vinzenz Schöttl an Alarich Seidler vom 14. Mai 1940.

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Vinzenz Schöttl

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Aufgabe (Basis)

Haltungen eines Täters

  1. Arbeiten Sie aus dem obigen Brief Schöttls folgende Aspekte heraus:
    - sein Verhältnis zu (ehemaligen) Kollegen,
    - Positionen gegenüber Polen und polnischen Menschen.
  2. Bewerten Sie die Haltung Schöttls gegenüber Seidler.

Halten Sie Ihre Überlegungen auf dem Miro-Board fest.

Der Wanderhof Herzogsägmühle und das Konzentrationslager Dachau

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Schöttl war in Herzogsägmühle aktiv daran beteiligt, Menschen ins Konzentrationslager Dachau zu bringen, weil sie sich nicht so verhielten, wie Schöttl das erwartete. Mindestens zwei Fälle solcher 'Strafüberstellungen' sind bekannt. 

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Beispiel 1

Der Umgang mit dem Insassen Friedrich Löh

Nur vier Wochen nach seinem Dienstantritt zeigte Schöttl den Insassen Friedrich Löh bei der Leitung des Wanderhofs an. Er begründete dies damit, dass Löh durch sein „freches und aufdringliches Wesen“ aufgefallen sei und auf eine Ermahnung hin gesagt habe: „Wenn alle alten Parteigenossen so wären wie Sie, dann wäre es um uns schlecht bestellt.“ Das war ein offener Angriff auf die Vertreter des Regimes, die sich als neue und natürlich nicht zu kritisierende Elite des NS-Staates sahen.

Daraufhin spitze sich die Lage für Löh zu. Auf Anordnung des geschäftsführenden Vorsitzenden, Standartenführer Seidler, beantragte der LVW am 13. August 1937 beim Landrat von Schongau, Löh für drei Monate ins KZ Dachau einzuweisen. Neben den Vorstrafen, die größtenteils aus seiner Zeit als Wanderarbeiter resultierten, diente Schöttls negative Einschätzung als zusätzliche Begründung. Der Schutzhaftbefehl wurde am 20. August 1937 erlassen und Löh ins KZ Dachau gebracht.

Friedrich Löh, am 1. November 1906 in Wassertrüdingen (Landkreis Ansbach) geboren. Er war damit nur ein Jahr jünger als Schöttl.
Erst am 4. August 1937 war er auf Anzeige des städtischen Wohlfahrtsamts München nach Herzogsägmühle gebracht worden. Man warf ihm vor, seinen Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten zu können. Nach einer Behandlung wegen eines Nervenleidens in der psychiatrischen Klinik in der Nußbaumstraße in München wurde er entlassen, fand jedoch keine Arbeit und keine Unterkunft. Der Amtsarzt von Schongau, Dr. Weiß, diagnostizierte eine „Arbeitsbeschränktheit“ von über 30 %, wertete ihn jedoch zusätzlich ab. Sein Urteil: „Schwerer Simulant und Psychopath. Arbeitsscheu!“

Nicht zuletzt deshalb waren seine Überlebenschancen im KZ gering. Nach einer Odyssee durch die Lager Dachau, Mauthausen und Sachsenhausen wurde er am 27. Februar 1942 erneut nach Dachau überstellt. Im Rahmen der sogenannten Aktion "14f13" wurde er als „Invalid“ eingestuft, auf einen „Invalidentransport“ geschickt und am 24. April 1942 in der Tötungsanstalt Hartheim mit Gas getötet.

Auf der Grundlage von: Annette Eberle, „Mit dem Führer durch dick und dünn“: SS-Fürsorger, KZ-Schutzhaftlagerführer und Kriegsverbrecher Vinzenz Schöttl, Diakonie Herzogsägmühle.

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Beispiel 2

Der Umgang mit dem Insassen Paul Tront

Auch der Wanderhofinsasse Paul Tront, geboren am 28. Februar 1894 in Randoschau (Schlesien), überlebte die Verlegung in das Konzentrationslager Dachau im September 1939 nicht. Die Wanderhofleitung begründete seine Überstellung ins KZ damit, dass Tront betrunken in eine Schlägerei mit anderen Insassen geraten sei. Anschließend habe er versucht, aus dem Arrest zu fliehen, und dabei die ehemaligen KZ-Aufseher Kaiser und Schöttl beschimpft. Beide kannte er bereits aus seinem ersten Aufenthalt im KZ Dachau im Jahr 1933. Damals war er wegen „böswilliger Äußerungen über leitende Persönlichkeiten des Staates“ inhaftiert worden.

Nach Kriegsbeginn wurde Tront am 27. September 1939 aufgrund der Räumung des Lagers Dachau in das KZ Mauthausen überstellt. Dort starb er nur drei Monate später am 14. Dezember 1939.

Auf der Grundlage von: Annette Eberle, „Mit dem Führer durch dick und dünn“: SS-Fürsorger, KZ-Schutzhaftlagerführer und Kriegsverbrecher Vinzenz Schöttl, Diakonie Herzogsägmühle.

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Aufgabe (Basis)

'Fürsorger' in Herzogsägmühle

  1. Benennen Sie Anforderungen an einen Fürsorger aus Ihrem gegenwärtigen Ausbildungs- und Berufsleben.
  2. Vergleichen Sie die Tätigkeit von Vinzenz Schöttl mit diesen Anforderungen.
  3. Bewerten Sie die Qualität von Herzogsägmühle zur NS-Zeit als soziale Einrichtung anhand heutiger Kriterien. 

Halten Sie Ihre Überlegungen auf dem Miro-Board fest.

Propaganda und Wahrheit: Die Wirkung von Bildern

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Wie war Herzogsägmühle in der Zeit des Nationalsozialismus wirklich?

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Lindenhof in Herzogsägmühle (1934): 'großzügig und gepflegt'?

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Feldarbeit in Herzogsägmühle (1936): 'romantisch'?

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Panorama Herzogsägmühle (1940): 'ein Naturidyll'?

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Gebäude, Krankenstation und Infrastruktur: 'praktisch, geordnet, modern, medizinisch exzellent'?

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Schlafräume in Herzogsägmühle: 'zweckmäßig und sauber'?

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Bücher in Herzogsägmühle: 'Für das Geistige ist auch gesorgt'?

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Archiv Diakonie Herzogsägmühle

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1937 in Herzogsägmühle: Torfmull wird zur Bodenverbesserung eingegraben.

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Insassen von Herzogsägmühle arbeiteten u.a in der Landwirtschaft, in der Forstwirtschaft und auch beim Torfstich mit Loren.

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Die Folge von Forstarbeiten in Herzogsägmühle waren oft Bein-/ Fußverletzungen durch Äxte usw.

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Aufgaben (Basis)

Propaganda und Wahrheit: eine Bilddekonstruktion

Die Nationalsozialisten verstanden sich sehr gut darauf, mit Propaganda die unmenschliche Realität zu verstecken.

  1. Untersuchen Sie anhand der Bildergalerie mit Aufnahmen aus der Zeit, welche inszenatorischen Mittel sie dazu nutzten.
  2. Benennen Sie Aspekte des Lebens und der Menschen in Herzogsägmühle, die nicht gezeigt werden.
  3. Aus welchen Gründen wurden hier Zeichnungen genutzt, um das Leben der Insassen von Herzogsägmühle darzustellen?

Halten Sie Ihre Überlegungen auf dem Miro-Board fest.

Schöttl nach seiner Zeit in Herzogsägmühle

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Archiv Diakonie Herzogsägmühle

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Kriegseinsatz: Schöttl und andere Soldaten (28. Juni 1940)

Später machte Schöttl weiter Karriere im SS-Lagersystem, so in den Konzentrationslagern von Lublin, Neuengamme, Auschwitz, Majdanek und Landsberg-Kaufering. Und so vollzog sich das im Einzelnen: 

Im Frühjahr 1940 wurde er als Zugführer zur Nachrichtenabteilung der SS-Totenkopf-Standarten nach Lublin versetzt und anschließend zum Wachsturmbann nach Oranienburg. Im Juni desselben Jahres kam er zu den Wachtruppen des KZ Neuengamme, wo er 1942 zum Adjutanten des Kommandanten Martin Weiß aufstieg – einem früheren Kameraden aus seiner Zeit im KZ Dachau.

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Urheber: unbek.

ANg, 1998-719

PD

Schöttl im Jahr 1942.

Über seine Aktivitäten zwischen 1942 und 1944 liegen bisher keine detaillierten Informationen vor. Fest steht jedoch, dass er 1944 als Lagerführer im KZ Auschwitz III – Monowitz (Buna-Werke) eingesetzt wurde. Vom 3. Februar bis zum 16. April 1945 war er stellvertretender Leiter des Außenlagers Landsberg-Kaufering, das zum KZ Dachau gehörte.

Als die alliierten Truppen näherrückten, wurde das Lager geräumt. Schöttl floh und schloss sich bei Weilheim der 5. SS-Panzergrenadier-Division „Wiking“ an. Schließlich wurde er in Bad Aibling von US-amerikanischen Soldaten festgenommen.

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Quelle

Kadavergehorsam

Schöttl an Seidler aus dem KZ Neuengamme, 13. Dezember 1940:

"Die Aufgabe, die hier an mich gestellt ist, ist alles andere als leicht, bin viel lieber Fürsorger [...]. Nun ja, man geht mit der Führer durch dick und dünn und keine Aufgabe darf einem zu schwer sein, bis wir endgültig den Sieg an unsere Fahnen heften können."

Quelle: ANg, PGS SS Schöttl

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Erinnerungskultur im Außenlager Kaufering

Link

Dass Vinzenz Schöttl noch 1945 auch im Außenlager in Landsberg/Kaufering war, ist aus Sicht der regionalen Erinnerungskultur wichtig. Dort entsteht auch eine Gedenkstätte.

Das Ende eines Verbrechers

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Schöttl wurde bei Kriegsende in Polen verhaftet und während der Dachauer Prozesse verurteilt. 1946 wurde Schöttl, von den Alliierten als "the beastly guard" von Dachau genannt, hingerichtet.

Die Konfrontation der Bevölkerung mit den Verbrechen des NS-Systems sowie die Verurteilung und Bestrafung der Täter waren nach Kriegsende gängige Praxis der Alliierten. In diesem Zusammenhang entstanden auch Aufnahmen der Befreiung von Konzentrationslagern, die im Video unten gezeigt werden. 

Das Video zeigt auch die Momente vor der Hinrichtung Vinzenz Schöttls. Bitte entscheiden Sie selbst, ob Sie diese Aufnahmen sehen möchten.

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Video zu Vinzenz Schöttl

Der folgende Film stammt vom YouTube-Kanal "theuntoldpast". Sie wird von David Lee aus Leicester (Vereinigtes Königreich) betrieben. Er veröffentlicht u.a. Videoinhalte zu historischen Themen und ist dafür beim britischen Markenamt in der Kategorie "Bildung und Unterhaltung" registriert. Bei YouTube ist TheUntoldPast seit 2019 aktiv. Filme, die das am Ende des Zweiten Weltkriegs befreite und besetzte Deutschland zeigen, sind oftmals von alliierten Soldaten gemacht worden.

The JUSTIFIED Execution Of The Beastly Guard Of Dachau
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Die "Bestie" von Dachau (und von Lublin, Oranienburg, Neuengamme, Majdanek, Auschwitz und Landsberg-Kaufering und Herzogsägmühle): SS-Mann Vinzenz Schöttl wird nach dem Krieg für seine Verbrechen zur Rechenschaft gezogen.
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Aufgabe (Vertiefung)

  1. Wie bewerten Sie die Bezeichnung Schöttls als "the beastly guard" und die Bezeichnung der "gerechtfertigten" Hinrichtung im Titel des Videos?
  2. Wie bewerten Sie die öffentliche Zurschaustellung von NS-Tätern nach Kriegsende – etwa durch die Veröffentlichung von Hinrichtungsaufnahmen – im Spannungsfeld von historischer Aufarbeitung, Gerechtigkeit und Menschenwürde?
  3. Sollten Hinrichtungsaufnahmen wie die von Vinzenz Schöttl in der historisch-politischen Bildung gezeigt werden? Beziehen Sie Stellung und begründen Sie Ihre Position – zum Beispiel unter Rückgriff auf den Beutelsbacher Konsens. Berücksichtigen Sie dabei auch mögliche Wirkungen sowie Chancen und Grenzen eines solchen Materials.

Halten Sie Ihre Überlegungen auf dem Miro-Board fest.