Lebensdaten:
- Geboren: 31. Mai 1897 in Konstanz
- Gestorben: 12. November 1979 in Peiting
FrĂŒhes Leben:
Nach Abschluss der Volksschule absolvierte Alarich Seidler eine Ausbildung zum technischen Kaufmann. Seine erste Anstellung hatte er wohl ab 1914 bei einer Firma, fĂŒr der in Kufstein und Bozen tĂ€tig war. Seidler meldete sich freiwillig als Soldat fĂŒr den Ersten Weltkrieg. Kurze Zeit spĂ€ter entlieĂ man ihn aber wegen âLeibesschwĂ€cheâ. Erst im Jahr 1916 wurde er wieder eingezogen. Im Dienst beim bayerischen Infanterie-Leibregiment erlangte er den Rang eines Unteroffiziers.
Karriere in der NS-Bewegung:
Nach dem Krieg schloss er sich dem Freikorps Epp an, das die MĂŒnchner RĂ€terepublik bekĂ€mpfte und erlitt dabei eine Verletzung am FuĂ. Im Jahr 1920 schloss er sich der rechtsterroristischen 'Organisation Consul' und wurde nach deren Verbot im Jahr 1922 SA- und NSDAP-Mitglied. Als Vorsitzender des sogenannten 'Ausschusses fĂŒr VolksernĂ€hrung' etablierte sich seit 1922/23 in der Sozialpolitik der NS-Bewegung. 1923 nahm er am sog. Hitler-Ludendorff-Putsch teil, wurde dafĂŒr aber nicht zur Rechenschaft gezogen. Die Teilnahme brachte ihm aber eine ehrenvolle Behandlung in der NSDAP ein.
Persönliches:
Seidler heiratete im Jahr 1920 und wurde 1922 Vater eines Kindes, das er auch Alarich nannte. 1923 trennte er sich von seiner Frau. Die Scheidung erfolgte allerdings erst 1929. In dieser Zeit befand sich Seidel in einer sehr unsicheren wirtschaftlichen Lage und musste sich als Knecht in der Landwirtschaft und SĂ€gearbeiter durchschlagen. 1930 bekam er neue Aufgaben in den NSDAP-Parteistrukturen: Er wurde mit dem Aufbau und der Leitung der NS-Nothilfe, der sogenannten Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV) sowie dem sog. Winterhilfswerk betraut. Zugleich wurde er zum sog. Sonderbeauftragten der NSDAP "fĂŒr die bayerischen Notstandsgebiete" ernannt. Der SA trat er im Oktober 1932 bei. Schon 1932 wurden ihm staatliche Aufgaben ĂŒbertragen, so die Verantwortung fĂŒr das Sozialamt Oberbayern. Nach der MachtĂŒbernahme der Nationalsozialisten wurde er "stellvertretender Sonderkommissar bei der Regierung von Oberbayern" und "Staatsbeauftragter in Bayern".
Aufbau der 'WanderfĂŒrsorge':
Nachdem ihm UnregelmĂ€Ăigkeiten in der Verwendung von Geldern vorgeworfen worden waren, trat er im Oktober 1935 von allen NSV-Funktionen und als Leiter des Hilfszugs zurĂŒck. DafĂŒr wurde er nun hauptamtlicher Landesleiter des von ihm erdachten und gegrĂŒndeten Landesverbandes fĂŒr Wander- und Heimatdienst (LVW) beim bayerischen Innenministerium. Im FrĂŒhjahr 1934 avancierte er zum Ersten Vorsitzenden des Landesverbandes fĂŒr LVW und im Mai 1935 zu dessen geschĂ€ftsfĂŒhrendem Vorstand.Â
Die Wanderhöfe als Orte, in denen Wanderarbeiter, Bettler, Behinderte und FĂŒrsorgebedĂŒrftige aufgenommen und entsprechend der NS-Ideologie mit Untertanendrill und Zwangsarbeit angeblich zu guten Mitgliedern der sogenannten Volksgemeinschaft umerzogen werden sollten, sollte nach Seidlers Vorstellungen eine reichsweite Lösung sein, um abweichende Personen und Lebensweisen zu kontrollieren und aus der Ăffentlichkeit zu entfernen. Seidler war eng mit anderen NS-Zwangs-, Folter- und Vernichtungseinrichtungen verbunden, so etwa mit dem KZ Dachau sowie den Einrichtungen der sog. Euthanasie. Er war auch ganz persönlich fĂŒr den Tod von Insassen seiner Einrichtungen verantwortlich, etwa, indem er sie ins KZ ĂŒberstellen lieĂ.Â
Obwohl es nicht zur reichsweiten Etablierung des LVW-Systems als eines eigenen Zwangs- und Lagersystems kam, lieferten Seidlers Ideen dennoch den AnstoĂ fĂŒr den Entwurf eines "Gesetzes fĂŒr die Behandlung Gemeinschaftsfremder", der zwischen Reichsinnenministerium und Reichsjustizministerium abgestimmt wurde. Dieses Gesetz hĂ€tte ab dem 1.1.1945 in Kraft treten sollen, wurde aber im untergehenden NS-Reich nicht mehr realisiert.
Nach dem Zweiten Weltkrieg:
Mit dem Kriegsende unternahm er einen Selbstmordversuch, um sich einer Verhaftung durch die Amerikaner zu entziehen. Da dieser misslang, wurde verhaftet und zwischen 1945 und 1947 interniert. Aus heutiger Sicht muss es mehr als erstaunen, dass sein sogenanntes Entnazifizierungsverfahren fĂŒr ihn erfolgreich zu Ende ging. Durch den Spruchkammerbeschluss vom 17. Dezember 1948 wurde als "entlastet" eingestuft. Bis zu seinem Tod im Jahr 1979 lebte Seidler in Peiting. Niemals hat er sich zu seinen Taten bekannt, Schuld eingestanden oder Reue gezeigt. Er inszenierte sich stattdessen als Opfer und Verkannter.