Lebensdaten:
- Geboren 10.4.1907
- Gestorben 23.8.1964
Herkunft und Ausbildung:
Friedrich Goller wuchs in WĂŒrtingen (WĂŒrttemberg) als Sohn einer streng christlichen Bauernfamilie mit fĂŒnf Kindern auf. Nach einer Schreinerlehre und einer Ausbildung in der Krankenpflege besuchte er von 1928 bis 1935 die Diakonenschule in Ludwigsburg. WĂ€hrend dieser Zeit passte sich die Ausbildung zunehmend der NS-Ideologie an â Rassenhygiene und Antidemokratismus wurden Teil des Lehrplans. Nach einer kurzen TĂ€tigkeit als Stadtmissionar in Heidelberg ĂŒbernahm Goller gemeinsam mit seiner Frau eine Hauselternstelle bei der Inneren Mission MĂŒnchen. In einem Bericht betonte er die schwierige Herkunft vieler Jugendlicher und forderte eine stĂ€rkere Einbindung der Familien. Dabei griff er bereits auf nationalsozialistische Begriffe wie âVolkâ zurĂŒck.Â
Karriere im Dienst der ZwangsfĂŒrsorge:
Friedrich Goller kam Ende 1939 ĂŒber die Innere Mission MĂŒnchen in Kontakt mit Alarich Seidler, dem Vorsitzenden des Landesverbands fĂŒr Wander- und Heimatdienst (LVW). Seidler bot ihm die Leitung des sog. 'FĂŒrsorgeheims' Indersdorf an â einer Einrichtung, die im Sinne der nationalsozialistischen FĂŒrsorgepolitik arbeitete. Menschen galten dort als âgemeinschaftsgefĂ€hrdendâ, wenn sie als sozial oder erblich âminderwertigâ eingestuft wurden.
Ab 1940 leitete Goller Indersdorf, ab 1941 die Jugendabteilung in HerzogsĂ€gmĂŒhle und ab 1942 zusĂ€tzlich den dortigen Wanderhof. Diese Einrichtungen kooperierten eng mit Polizei, Justiz und Psychiatrie. In HerzogsĂ€gmĂŒhle wurden zwischen 1936 und 1945 rund 4800 bis 5000 Menschen untergebracht, im gesamten LVW-Komplex ĂŒber 12.000.
Zeitzeugenberichte schildern den Alltag in den Anstalten als geprĂ€gt von Gewalt, Zwangsarbeit, sexuellen Ăbergriffen und militĂ€rischer Disziplinierung. Die Anstalten arbeiteten mit einem strengen Ăberwachungssystem â wer sich nicht anpasste, wurde als âunheilbarâ oder âgemeinschaftsschĂ€dlichâ aussortiert. Goller ĂŒbernahm diese Ideologie und beteiligte sich aktiv an Ăberstellungen in Heilanstalten, Konzentrationslager und an Zwangssterilisationen.
Sein Vorgesetzter Seidler formulierte 1942 eine Denkschrift zur âBekĂ€mpfung gemeinschaftsfremder Jugendlicherâ, deren Umsetzung Goller mit âTreue und Gewissenhaftigkeitâ ausfĂŒhren sollte. Die Praxis dieser Politik lĂ€sst sich an konkreten FĂ€llen wie Ernst Lossa, Franz-Xaver Bremm und Wilhelm Franklin belegen, deren Lebenswege durch Entscheidungen Gollers schwer geschĂ€digt oder beendet wurden.
Verbrechen:
Friedrich Gollers Beteiligung an NS-Verbrechen lÀsst sich anhand mehrerer EinzelfÀlle nachweisen:
- Der Jugendliche Ernst Lossa wurde 1942 auf Gollers Vorschlag aus der 'FĂŒrsorge' entlassen und in die 'Heil- und Pflegeanstalt' Kaufbeuren-Irsee ĂŒberstellt, wo er 1944 ermordet wurde. Goller bezeichnete ihn zuvor als âabartigâ und âasozialâ â eine EinschĂ€tzung, die die Ăberstellung rechtfertigen sollte, obwohl Goller ĂŒber die Tötungen in den Anstalten informiert war.
- Franz Xaver Bremm, ein pflegebedĂŒrftiger Mann, wurde 1943 ebenfalls auf Initiative Gollers in eine geschlossene Anstalt ĂŒberwiesen, wo er unter schlechter Versorgung litt und 1944 verstarb. Seine wiederholten Bitten um Entlassung blieben unbeantwortet.
- Wilhelm Franklin wurde 1942 trotz VolljĂ€hrigkeit und vorheriger KZ-Haft in die Jugendabteilung HerzogsĂ€gmĂŒhle eingewiesen und dort zwangssterilisiert. Auch nach Kriegsende hielt Goller an seiner EinschĂ€tzung fest, Franklin sei âgemeingefĂ€hrlichâ und nicht lebensfĂ€hig. Erst 1948 kam Franklin frei.
Diese FĂ€lle belegen Gollers aktive Rolle bei Aussonderung, Verfolgung und Mitwirkung an Verbrechen im Rahmen der NS-'FĂŒrsorgepolitik'.
Nachkriegszeit und Aufarbeitung:
Nach 1945 wurde Friedrich Goller Direktor von HerzogsĂ€gmĂŒhle unter der Inneren Mission MĂŒnchen. Im Spruchkammerverfahren wurde er lediglich als âMitlĂ€uferâ eingestuft. Seine rassenhygienisch geprĂ€gten Ansichten behielt er bei: Noch 1957 forderte er gesetzliche MaĂnahmen zur Zwangsunterbringung sogenannter âNichtseĂhafterâ.
Goller stellte die Einrichtung spĂ€ter als Opfer des Nationalsozialismus dar, verschwieg aber seine eigene Rolle sowie das Leid der Betroffenen. Erst in den 1990er Jahren wurde seine Mitverantwortung öffentlich thematisiert â etwa durch ein Zitat, in dem er KZ-Einweisungen von Heiminsassen rechtfertigte.
2020 erkannte der Bundestag das Unrecht an den Opfern der 'FĂŒrsorgeeinrichtungen' offiziell an. Eine Initiative forderte daraufhin die Umbenennung des nach Goller benannten Hauses in HerzogsĂ€gmĂŒhle. Seit 2022 trĂ€gt es den neutralen Namen âRingstraĂe 6â. Eine klare Benennung seiner TĂ€terschaft blieb aus.