Institutionen der organisierten "Säuberung" - Die Schutzstaffel, Konzentrationslager und ihr Zusammenhang mit der Herzogsägmühle

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Das KZ Dachau - der Ort an dem der Reinheitswahn der Nationalsozialisten begann und das Leben zehntausender Menschen endete, die aus Sicht von Hitlers Regime anders waren.

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Das KZ Dachau - der Ort an dem der Reinheitswahn der Nationalsozialisten begann und das Leben zehntausender Menschen endete, die aus Sicht von Hitlers Regime anders waren.

Institutionen der organisierten "Säuberung" - Die Schutzstaffel, Konzentrationslager und ihr Zusammenhang mit der Herzogsägmühle

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Das Abzeichen der Schutzstaffel, kurz SS


Die Entstehung der Schutzstaffel (SS)

Um zu verstehen, wie das System der Nationalsozialisten funktionierte, muss man zunächst die beteiligten Akteure einordnen. Als ausführende Institution des Regimes kann man die Schutzstaffel (SS) verstehen. Besonders im Bezug auf die Funktion der Konzentrationslager - denn die Mitglieder der SS waren Teil der Lagerbesatzungen. Um die Handhabe der Lager, Regelwerke und die Ideologie hinter der Vernichtung von vielen Menschenleben zu begreifen, folgt ein Abriss in dessen Entstehung, Geschichte und zentrale Schlüsselfiguren.

Die SS wurde 1925 zunächst als kleine Einheit gegründet, deren Hauptaufgabe der persönliche Schutz Adolf Hitlers war. Sie war organisatorisch Teil der SA (Sturmabteilung), der paramilitärischen Kampforganisation der NSDAP. Zu Beginn spielte die SS eine untergeordnete Rolle: nur wenige Hundert Männer gehörten ihr an, und ihre Aufgaben beschränkten sich auf den Begleitschutz bei Parteiveranstaltungen (Höhne 1998, S. 35f.).

Einen entscheidenden Wendepunkt markierte das Jahr 1929, als Heinrich Himmler zum Reichsführer SS ernannt wurde. Unter seiner Leitung begann der systematische Ausbau der SS. Himmler verfolgte das Ziel, die SS nicht nur als bewaffnete Schutztruppe, sondern als eine ideologisch gefestigte Eliteorganisation innerhalb des nationalsozialistischen Machtapparates zu etablieren (Longerich 2012, S. 41–55).

Himmler legte besonderen Wert auf eine strenge Auswahl der Mitglieder nach rassistischen Kriterien. Nur Männer, die ihre „arische“ Herkunft über Generationen nachweisen konnten, wurden aufgenommen. Damit unterschied sich die SS deutlich von der SA, die stärker massenorientiert war. Bereits in den frühen 1930er-Jahren entwickelte die SS so das Selbstverständnis, die „politische Elite“ des NS-Staates zu sein (Longerich 2008, S. 119–123).

Die folgenden Jahre zeigten, wie erfolgreich Himmlers Strategie war: Während die SA nach dem „Röhm-Putsch“ 1934 an Einfluss verlor, stieg die SS zur zentralen Machtbasis innerhalb des NS-Regimes auf. Sie verband Polizei, Geheimdienst und militärische Einheiten in einer Organisation, die nicht nur Schutz- und Ordnungsaufgaben erfüllte, sondern bald auch für Terror, Repression und systematische Gewalt in Deutschland und den besetzten Gebieten verantwortlich war (Wachsmann 2016, S. 62–65).

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Zu Punkt 1:

Die Entstehung der SS

1. Stellen Sie Vermutungen an, inwiefern der Anfang der SS als eine führernahe Elitetruppe sich auf das Selbstverständnis innerhalb der Reihen auswirkte und die Ideologie festigte.

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Heinrich Himmler im Jahr 1942

Die Personalie Heinrich Himmler

Um die Entwicklung der SS zu verstehen, ist ein Blick auf die Person ihres langjährigen Führers notwendig: Heinrich Himmler. Er formte die SS von einer kleinen Schutztruppe Hitlers zu einem zentralen Machtinstrument des NS-Staates. Unter seiner Leitung verband die Organisation Ideologie, Terror und Gewalt miteinander und wurde zu einer Stütze der nationalsozialistischen Herrschaft (Longerich 2012, S. 41–55).

Himmler wurde am 7. Oktober 1900 in München geboren. Sein Vater, Joseph Himmler, war Oberstudiendirektor, streng monarchistisch und pflegte enge Kontakte zum bayerischen Königshaus. Das Elternhaus war von Autoritätsglauben, nationalkonservativen Werten und katholischer Prägung bestimmt. Diese Erziehung vermittelte Himmler früh ein Weltbild, in dem Gehorsam, Ordnung und Hierarchie zentrale Rollen spielten (Padfield 1991, S. 17–20).

Nach dem Ersten Weltkrieg begann Himmler 1919 ein Studium der Landwirtschaft in München. Dort kam er in Kontakt mit völkisch-nationalistischen Studentengruppen, die Ideen von „Blut und Boden“, Antisemitismus und Germanenkult vertraten. Besonders prägend wurde für ihn die Mitgliedschaft im sogenannten Artamanenbund, einer Jugendorganisation, die eine Rückkehr zum „urdeutschen Bauernleben“ propagierte (Longerich 2008, S. 52–55).

1923 trat Himmler der NSDAP bei und beteiligte sich am Hitler-Ludendorff-Putsch. Zwar spielte er bei dem gescheiterten Umsturzversuch keine große Rolle, doch zeigte sich bereits sein frühes Engagement für die nationalsozialistische Bewegung (Höhne 1998, S. 45f.).

Seine eigentliche politische Karriere begann 1929, als er von Hitler zum Reichsführer SS ernannt wurde. In dieser Funktion baute er die SS zielstrebig zu einer rassistisch geprägten Elitetruppe aus. Er verknüpfte dabei ideologische Schulung, strenge Auswahlkriterien und politischen Machtanspruch, sodass die SS innerhalb weniger Jahre zu einem entscheidenden Instrument des NS-Regimes aufstieg (Longerich 2008, S. 119–123).

Nach dem Untergang des „Dritten Reiches“ im Mai 1945 versuchte Himmler, sich durch Flucht und die Anbahnung eines Separatfriedens den Alliierten anzudienen. Hitler hatte ihn deshalb kurz zuvor aller Ämter enthoben. Am 23. Mai 1945 nahm sich Himmler in britischer Gefangenschaft das Leben, um sich einer öffentlichen Verantwortung für seine Verbrechen zu entziehen (Wachsmann 2016, S. 64).


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Zu Punkt 3:

Die Personalie Heinrich Himmler

1. Zählen Sie die Rahmenbedingungen auf, die zeigen, dass bereits früh in Himmlers Leben die Weichen für seine spätere Ideologisierung gestellt waren.

2. Überlegen Sie, inwiefern man eine derartige Ideologisierung hätte verhindern und ihr entgegenwirken können.

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Die Ideologisierung Heinrich Himmlers

Heinrich Himmlers Weltbild war von Autorität, Ordnung und Hierarchie bestimmt. Der Ausgang des Ersten Weltkriegs prägte ihn tief: Da er selbst nicht kämpfen konnte, empfand er dies als persönliche Kränkung. Die Niederlage 1918 und der Sturz des Kaiserreichs erschienen ihm als nationale Demütigung. In diesem Umfeld fand die „Dolchstoßlegende“, die den Verlust des Krieges angeblich inneren Feinden zuschrieb, ebenso wie die Ablehnung der Weimarer Republik bei ihm großen Anklang. (Padfield 1991, S. 17–20)

In den 1920er-Jahren schloss sich Himmler dem Artamanenbund an, einer Jugendbewegung, die eine Rückkehr zum „urdeutschen Bauernleben“ propagierte. Dort begegnete er Ideen von „Blut und Boden“, der Vorstellung einer untrennbaren Bindung von Volk und Land, verbunden mit Rassenreinheit, Antisemitismus und einem ausgeprägten Germanenkult. (Longerich 2008, S. 52–55)

Das Scheitern des Hitler-Putsches 1923 radikalisierte Himmler zusätzlich. Obwohl er nur eine kleine Rolle spielte, betrachtete er Hitler als Märtyrer. Von nun an war er überzeugt, dass die nationalsozialistische Bewegung weitergeführt werden müsse – diesmal auf legalem Weg. (Höhne 1998, S. 45)

Aus diesen Erfahrungen entwickelte Himmler eine fast quasi-religiöse Weltanschauung. Er sah die SS später nicht nur als militärische Einheit, sondern als eine Art Ordensgemeinschaft mit sakralem Anspruch. Dabei verstand er sich selbst als „politischer Soldat“, dessen Ziel eine „rassische Wiedergeburt“ Deutschlands war – ein Gedanke, den er schließlich in der Organisation der SS umsetzte. (Longerich 2008, S. 119–123)


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Ideologische Ideen, die Himmler übernahm

Heinrich Himmler übernahm in den 1920er-Jahren viele Gedanken aus der völkischen Ideologie, die im nationalistischen Milieu weit verbreitet waren.

Ein Kernpunkt war der Antisemitismus. Juden galten in dieser Vorstellung als „zersetzendes Element“, das angeblich für politische Krisen, wirtschaftliche Probleme und gesellschaftlichen Wandel verantwortlich sei. (Longerich 2012, S. 41–43)

Ebenso wichtig war der Antibolschewismus – die radikale Ablehnung des Kommunismus. Himmler sah im Kommunismus eine Gefahr für Volk und Nation. Gleichzeitig verband er diese Ablehnung mit antisemitischen Verschwörungstheorien, die den Kommunismus als „jüdisch gesteuert“ darstellten. (Longerich 2008, S. 120–123)

Eine weitere Säule seiner Ideologie war der Germanen-Mythos verbunden mit der Rassenlehre. Himmler glaubte an die Überlegenheit einer angeblich „nordischen Rasse“, die als Trägerin der Kultur und als natürliche Führungsschicht angesehen wurde.^7 Die SS sollte nach diesen Maßstäben eine rassisch „reine“ Elite bilden. (Longerich 2012, S. 50–55)

Schließlich lehnte Himmler die Demokratie und den Parlamentarismus entschieden ab. Statt politischer Mitbestimmung trat er für das Führerprinzip ein: eine Gesellschaft, die auf Gehorsam, Hierarchie und einer starken Führung beruhte. (Ian Kershaw 2011, S. 55–60)

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Zu Punkten 5 und 6:

Die Ideologisierung Himmlers und seine Ideen

1. Tragen Sie die zentralen Überzeugungen von Himmler zusammen.

2. Wie lassen sich diese ideologischen Ideen auf den Fremdenhass projizieren? Nutzen Sie dafür Ihr Vorwissen.

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Selbstverständnis und Ideologie der SS


Die Entwicklung von Himmlers persönlichem Weltbild wirkte sich direkt auf die SS aus, deren Reichsführer er ab 1929 war. Unter seiner Führung wurde die SS nicht nur eine Schutztruppe, sondern eine weltanschaulich geprägte Eliteorganisation mit klaren ideologischen Zielen.


Rassenideologie und "arische" Elite

Die SS verstand sich als eine rassisch ausgewählte Elite. Nur Männer, die eine „arisch einwandfreie“ Abstammung über mehrere Generationen nachweisen konnten, erhielten Aufnahme (Longerich 2008, S. 192–198). Damit wurde die SS zu einem Vorreiter der nationalsozialistischen Rassenideologie, die innerhalb der Organisation konsequent praktiziert wurde. Himmler bezeichnete dies als „Rassenpflege nach innen“. Ziel war es, eine neue, nordisch geprägte Führungsschicht für das künftige Reich zu schaffen (Höhne 1998, S. 141–145).

Neben körperlicher Tauglichkeit zählten auch weltanschauliche Schulungen: In Ausbildungsprogrammen wurden den Mitgliedern Rassenlehre, germanische Mythologie und klare Feindbilder vermittelt (Longerich 2012, S. 41–49). Die SS verstand sich als eine Art säkulare „mystische Bruderschaft“, die durch Rituale, strenge Hierarchien und Symbole wie den Totenkopf oder die Runen zusammengehalten wurde. Der SS-Mann war damit kein gewöhnlicher Soldat, sondern ein „politischer Soldat“, der eine rassisch-weltanschauliche Mission verfolgte (Longerich 2008, S. 200–205).


Antibolschewismus und Antisemitismus

Ein zentrales Feindbild war der „jüdische Bolschewismus“. In der SS-Ideologie galt das Judentum als Wurzel allen Übels: Sowohl Kapitalismus als auch Kommunismus wurden als angeblich „jüdisch gesteuert“ dargestellt (Kershaw 2011, S. 57–59). Damit rechtfertigte die SS einen kompromisslosen Kampf, der in ihren Augen nur mit Gewalt, Krieg und Vernichtung gewonnen werden konnte. Besonders im Osten Europas führte dies zu einem beispiellosen Vernichtungsfeldzug, der ideologisch vorbereitet und durch die SS organisatorisch umgesetzt wurde (Longerich 2012, S. 60-66).

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Die Organisationsstruktur der SS unter Himmler

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Bekannte Gruppen der SS und ihre Aufgaben

Die Ideologie der SS unter Heinrich Himmler war nicht abstrakt, sondern schlug sich in unterschiedlichen Organisationseinheiten nieder. Jede dieser Gruppen übernahm bestimmte Aufgaben, die im Sinne der nationalsozialistischen Weltanschauung ausgeführt wurden.


Allgemeine SS

Die Allgemeine SS war das ideologische Rückgrat der Organisation. Sie war zuständig für die Ausbildung neuer Kader, die Organisation von Parteiveranstaltungen und die Verankerung der nationalsozialistischen Weltanschauung im Alltag. Wie Heinz Höhne beschreibt, verstand sie sich als „Trägerin des politischen Soldatentums“ (Höhne 1998, S. 152).


SS-Totenkopfverbände

Eine besonders berüchtigte Einheit waren die SS-Totenkopfverbände. Sie übernahmen zunächst die Bewachung der Konzentrationslager, entwickelten sich aber bald zu zentralen Akteuren der NS-Verbrechen. Peter Longerich hebt hervor, dass sie ab 1941 an Massenerschießungen in Osteuropa beteiligt waren, etwa in Kiew (Babi Jar), wo über 33.000 jüdische Zivilisten ermordet wurden (Longerich 2012, S. 97). Auch in Minsk, Riga und Kaunas verübten diese Einheiten Massaker an Juden, Roma, sowjetischen Kriegsgefangenen und politischen Gegnern.


Waffen-SS

Ab 1934 begann der Aufbau militärischer Verbände innerhalb der SS, die später als Waffen-SS bekannt wurden. Im Krieg galten sie als Elitetruppen, waren aber auch für zahlreiche Kriegsverbrechen verantwortlich, insbesondere in Osteuropa. Obwohl sie formal unabhängig von der Wehrmacht blieben, waren sie militärisch eng eingebunden. Longerich betont, dass die Waffen-SS nicht nur an der Front kämpfte, sondern gleichzeitig Träger der NS-Ideologie blieb (Longerich 2012, S. 105).


Sicherheitsdienst (SD)

Der Sicherheitsdienst (SD) der SS diente als Nachrichtendienst und spielte eine Schlüsselrolle bei der Überwachung politischer Gegner. Unter Reinhard Heydrich wurde der SD zu einem der schärfsten Instrumente der Repression ausgebaut. Er trug entscheidend zur Durchsetzung der NS-Ideologie bei und bereitete zahlreiche Verfolgungs- und Vernichtungsmaßnahmen vor (Kershaw 2011, S. 62).



SS, Staat und Aufgaben

Die verschiedenen Einheiten der SS machten deutlich, wie sehr Ideologie und Machtpolitik miteinander verschmolzen. Himmler strebte eine enge Verbindung von Partei, Polizei und SS an. Ab 1936 wurde er Chef der gesamten Polizei im Deutschen Reich, womit SS und Gestapo zu einem zentralen Machtinstrument zusammenwuchsen. Longerich beschreibt dies als „Schutz- und Strafgewalt des Regimes“ (Longerich 2008, S. 245).

In den folgenden Jahren übernahm die SS zentrale Aufgaben: die Organisation der Besatzungspolitik, Deportationen, Massenerschießungen durch Einsatzgruppen sowie den Betrieb von Konzentrations- und Vernichtungslagern. Hier zeigte sich besonders deutlich, dass die SS nicht nur ideologische Vorhut, sondern auch das organisatorische Rückgrat der nationalsozialistischen Terrorherrschaft war (Longerich 2012, S. 134–139).


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Zu Punkten 8, 9 und 10

Selbstverständnis, Organisation, Gruppen und Aufgaben der SS

1. Diskutieren Sie, inwiefern Himmlers Überzeugungen und Ideen Einzug in das Selbstverständnis der SS erhalten haben.

2. Schauen Sie sich die Grafik in Punkt 10 genau an: Ermessen Sie ob und inwiefern Heinrich Himmler mit einem Rang, der viel Macht mit sich bringt, ausgestattet wurde.

3. Anhand der Grafik in Punkt 10: Überlegen Sie, welche Probleme und Einschnitte diese Art der Organisation der Staatssicherheit für das öffentliche Leben gehabt haben könnte.

4. Fassen Sie die wichtigsten Aufgaben der SS und ihrer Untergruppen stichpunktartig zusammen.

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Beispielhaftes Propagandaplakat, dass zum Ausschluss bestimmter Gesellschaftsgruppen aufruft.

NS-Gesellschaftsideale

Die von Himmler geprägte Weltanschauung der SS blieb nicht auf diese Organisation beschränkt, sondern prägte die gesamte NS-Gesellschaft. Die SS verstand sich als „politischer Orden“ und setzte Maßstäbe, die in Schule, Jugendorganisationen und im Alltag aufgegriffen wurden. Ihre Vorstellung von Rassenreinheit, Führertreue und bedingungslosem Gehorsam wurde zur Leitlinie der gesamten Gesellschaft. Damit lieferte die SS nicht nur ein Vorbild für Disziplin und „Pflichterfüllung“, sondern auch die Legitimation für Gewalt und Verbrechen. Im Krieg diente diese Ideologie als Begründung für Vertreibungen, Massendeportationen und systematische Vernichtungspolitik, die von weiten Teilen der Gesellschaft mitgetragen oder zumindest hingenommen wurde (Longerich 2012, S. 58–60; Browning 2013, S. 72).

Ein zentrales Ziel der Nationalsozialisten war die Schaffung einer „Volksgemeinschaft“. Damit war eine scheinbar einheitliche Gesellschaft gemeint, in der sich jeder Einzelne bedingungslos in den Dienst der Nation stellte. Wie Longerich betont, stand dabei nicht das Individuum, sondern das „Wohl des Volkes“ im Mittelpunkt (Longerich 2012, S. 41).

Die Grundlage dieser Gemeinschaft bildete die Forderung nach „rassischer Reinheit“. Nur „arische“ Deutsche wurden als vollwertige Mitglieder anerkannt, alle anderen galten als „minderwertig“ oder „volksfremd“. Damit verbunden war das Führerprinzip, das eine absolute Loyalität gegenüber Adolf Hitler verlangte (Höhne 1998, S. 143).

Die Gesellschaft wurde zudem gezielt militarisiert: Erziehung, Arbeitswelt und Freizeit waren auf den kommenden Krieg und auf Expansion ausgerichtet. Um die Kontrolle über Denken und Handeln zu sichern, setzte das Regime auf strikte Medienkontrolle. Presse, Radio und Film wurden gleichgeschaltet und dienten ausschließlich der Verbreitung der NS-Ideologie (Kershaw 2011, S. 57).

Wichtige Elemente zur Stärkung des Gemeinschaftsgefühls waren große Massenveranstaltungen, etwa Aufmärsche oder Kundgebungen, die emotionale Bindung und Gehorsam erzeugen sollten. Auch Symbolik spielte eine entscheidende Rolle: Das Hakenkreuz, der Hitlergruß und andere Zeichen sollten eine direkte Identifikation mit der Bewegung ermöglichen.

Doch die „Volksgemeinschaft“ war exklusiv und schloss ganze Gruppen systematisch aus. Juden, Sinti und Roma wurden diskriminiert, deportiert und ermordet. Menschen mit Behinderungen wurden Opfer der sogenannten „Euthanasie“-Programme. Politische Gegner landeten in Konzentrationslagern, während Homosexuelle und andere Minderheiten kriminalisiert und gesellschaftlich ausgegrenzt wurden (Longerich 2012, S. 65–67).

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Zu Punkt 12:

NS-Gesellschaftsideale

1. Beschreiben Sie das Propagandaplakat in Punkt 12 und wenden Sie dessen Beispiel auf die Ideologie im NS-System an.

2. Argumentieren Sie, inwiefern man es mit den neuen Gesellschaftsidealen, verbreitet durch Propaganda, schaffte, die Handlungen der SS-Gruppen zu legitimieren.

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Fotografie des Konzentrationslagers Dachau.

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Das KZ Dachau heute: Im Vordergrund die Fundamente der ehemaligen Baracken. Im Hintergrund einer der Wachtürme.

Die Entstehung der Konzentrationslager am Beispiel Dachau

Die nationalsozialistische Ideologie mit ihrer Vorstellung von Volksgemeinschaft, Rassenreinheit und Führertreue schuf die Grundlage für eine Politik der Ausgrenzung und Gewalt. Durch gezielte Propaganda wurde das Bild einer „reinen“ Gesellschaft vermittelt, in der für politische Gegner, Minderheiten und vermeintlich „Asoziale“ kein Platz war. Bereits kurz nach der Machtübernahme 1933 begann das NS-Regime, diese Vorstellungen praktisch umzusetzen. Mit der Einrichtung des ersten Konzentrationslagers in Dachau wurde ein Instrument geschaffen, das politische Gegner ausschaltete, gesellschaftliche Randgruppen terrorisierte und die autoritäre Herrschaft der SS festigte. Damit wurde Dachau zum Modell für das gesamte KZ-System, das in den folgenden Jahren die Verfolgung, Entrechtung und Vernichtung von Millionen Menschen tragen sollte (Longerich 2012, S. 64–66; Wachsmann 2016, S. 85–90).

Geschichtlicher Abriss zum KZ Dachau

Nur wenige Wochen nach der Machtübernahme Hitlers wurde im März 1933 auf dem Gelände einer ehemaligen Munitionsfabrik bei München das Konzentrationslager Dachau eingerichtet. Schon Ende desselben Monats trafen die ersten Gefangenen ein – vor allem politische Gegner wie Kommunisten und Sozialdemokraten. Von Beginn an herrschte dort ein System aus Terror, Gewalt und Willkür, das die SS konsequent durchsetzte.

Im Oktober 1933 führte die Lagerleitung ein Strafreglement ein, das die absolute Herrschaft der SS über die Gefangenen festschrieb. Unter dem Kommandanten Theodor Eicke entwickelte Dachau bald eine Modellfunktion. Ab 1934 wurde Eicke „Inspekteur der Konzentrationslager“ und übertrug die in Dachau erprobten Organisations- und Strafmethoden auf alle anderen Lager (Wachsmann 2016, S. 92–95).

In den folgenden Jahren wuchs das Lager stetig. 1937 begann der Ausbau zu einem großen Häftlingslager, um die zunehmenden Verhaftungen von sogenannten „Asozialen“ und „Berufsverbrechern“ zu bewältigen. Die Gefangenen mussten den Ausbau selbst unter unmenschlichsten Bedingungen verrichten. Mit Beginn des Krieges stiegen die Häftlingszahlen dramatisch an: 1940 waren bereits rund 10.000 Menschen inhaftiert, darunter auch viele aus den besetzten Gebieten. Hunger, Krankheiten und Gewalt führten zu einer stark steigenden Sterberate (Longerich 2012, S. 71–73).

Ab 1941 wurde Dachau auch Schauplatz von Massenmorden an sowjetischen Kriegsgefangenen. Ab 1942 kamen Deportationen im Rahmen der Euthanasie-Programme hinzu: Kranke und arbeitsunfähige Häftlinge wurden in Tötungsanstalten gebracht. Gleichzeitig diente das Lager als Verteilstelle für Zwangsarbeiter, die in der Rüstungsindustrie eingesetzt wurden.

In den letzten Kriegsmonaten verschärften sich die Bedingungen dramatisch. Hunger, Epidemien und Überfüllung führten dazu, dass allein in dieser Zeit ein Drittel der insgesamt rund 41.500 Todesopfer des Lagers starb. Tausende wurden kurz vor dem Eintreffen der Alliierten noch in Tötungsanstalten deportiert. Selbst nach der Befreiung durch US-Truppen im April 1945 erlagen viele Überlebende den Folgen der Haft (Wachsmann 2016, S. 102–107).

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Die Konzentrationslager: Frühphase, Expansion und Krieg

Die Einrichtung von Konzentrationslagern begann unmittelbar nach der Machtübernahme 1933. Dachau gilt als das erste dauerhaft betriebene Lager. In der Frühphase (1933–1936) dienten die Lager vor allem der Inhaftierung politischer Gegner, darunter Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschafter. Anfangs waren die Lager dezentral organisiert, unter der Kontrolle von SA und lokaler Polizei. Mit der Ernennung von Theodor Eicke zum „Lagerinspekteur“ begann jedoch die Zentralisierung unter der SS, und Dachau wurde zum Modelllager für alle weiteren Einrichtungen (Wachsmann 2016, S. 120–122).

In der Phase der Expansion und Institutionalisierung (1936–1939) wurde die Zahl der Häftlingsgruppen erweitert. Nun wurden auch sogenannte „Asoziale“, Zeugen Jehovas, Homosexuelle und Juden interniert. Gleichzeitig wurde die Verwaltungsstruktur unter dem SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt (WVHA) ausgebaut. Die Lager entwickelten sich zu einem dauerhaften Mittel der sozialen und rassischen Disziplinierung, in dem die SS ihre Ideologie praktisch umsetzte (Longerich 2012, S. 75).

Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs (1939–1945) wuchs das Lager- und Vernichtungssystem massiv, auch in den besetzten Gebieten (Auschwitz, Mauthausen, Stutthof, Natzweiler). Häftlinge wurden als Zwangsarbeiter in der Rüstungsindustrie eingesetzt, oft in enger Zusammenarbeit mit Unternehmen wie IG Farben oder Krupp. Gleichzeitig diente Dachau zunehmend als Vorstufe zur Vernichtung, sowohl durch Zwangsarbeit als auch durch Deportationen in Vernichtungslager (Wachsmann 2016, S. 125–128).


Struktur und Funktion der Lager

Die Lager waren streng hierarchisch organisiert: An der Spitze stand der Lagerkommandant, darunter der Schutzhaftlagerführer und die Blockführer. Auch unter den Gefangenen gab es Funktionshäftlinge, die Aufgaben im Auftrag der SS übernahmen. Die Konzentrationslager erfüllten drei zentrale Funktionen:

  • Politisches Repressionsinstrument, um Gegner des Regimes zu eliminieren

  • Rassistisches Kontroll- und Vernichtungsinstrument, um die Ideologie praktisch umzusetzen

  • Wirtschaftlicher Ausbeutungsapparat, insbesondere während des Krieges

Die SS agierte dabei nicht nur als Bewacher, sondern gestaltete ein umfassendes gesellschaftspolitisches Projekt, das auf Ausschluss, Ausbeutung und Vernichtung abzielte (Longerich 2012, S. 78–80).


Propagandistische Darstellung der Lager

Gegenüber der deutschen Bevölkerung präsentierte die NS-Propaganda Lager wie Dachau als „Erziehungsanstalten“ oder Orte der „Wiedereingliederung“. Ziel war die Verharmlosung des Terrors und die Legitimation der Lager. Die SS inszenierte zudem Führungen für ausländische Gäste, um den Schein von Ordnung und Menschlichkeit zu erzeugen – bekanntestes Beispiel ist das Vorzeigelager Theresienstadt. Intern dienten die Lager hingegen der Stärkung des rassischen Ordnungsdenkens und waren Ausdruck von Macht, Kontrolle und Gewalt (Wachsmann 2016, S. 130–133).

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Blick in eine Baracke des KZ-Dachau.

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Blick in den Zellengang des Lagergefängnisses, das besonders Symbol des SS-Terrors wurde.

Lebensbedingungen im KZ Dachau

Das Konzentrationslager Dachau war von März 1933 bis April 1945 ein Ort systematischer Gewalt, Ausbeutung und Vernichtung. Die Lebensbedingungen der Häftlinge waren geprägt von extremen Entbehrungen, körperlicher und psychischer Zermürbung sowie dem ständigen Risiko von Misshandlungen und Tod (Wachsmann 2016, S. 145–148).


Unterkunft und Hygiene

Die Häftlinge lebten in überbelegten Baracken mit einfachen Holzpritschen. Sanitäre Einrichtungen waren unzureichend: wenige Latrinen, mangelnde Belüftung und fehlende Waschmöglichkeiten führten zu unhygienischen Bedingungen. Krankheiten wie Typhus, Tuberkulose und Ruhr breiteten sich rasch aus und forderten zahlreiche Opfer (Gedenkstätte Dachau, „Baracken und Hygiene“).


Ernährung und Gesundheit

Die Verpflegung bestand hauptsächlich aus dünner Suppe, Brot und gelegentlich etwas Margarine oder Marmelade. Dies führte zu Mangelernährung und körperlicher Schwäche. Das Krankenrevier war überlastet, medizinische Versorgung knapp. Viele Häftlinge wurden Opfer grausamer medizinischer Experimente, wie Unterkühlungs- oder Höhenversuchen durch SS-Ärzte (Gedenkstätte Dachau, „Krankenrevier“; Wachsmann 2016, S. 150–152).


Arbeit und Zwangsarbeit

Häftlinge mussten unter extremen Bedingungen Zwangsarbeit leisten – in der SS-eigenen Wirtschaft, in Außenlagern, in Steinbrüchen, auf Baustellen oder in Rüstungsfabriken. Arbeitszeiten waren lang, Pausen selten. Wer nicht arbeiten konnte, wurde bestraft oder ermordet. Die Zwangsarbeit diente zugleich der wirtschaftlichen Ausbeutung des Lagers (Longerich 2012, S. 85–87; Gedenkstätte Dachau, „Zwangsarbeit“).


Gewalt und Willkür

Die SS übte systematische Willkür und Gewalt aus: Schläge, Demütigungen, Einzelhaft und Todesstrafen bei Fluchtversuchen oder Verstößen gegen Lagerregeln. Häftlinge, die als arbeitsunfähig galten, wurden selektiert und ermordet. Gewalt und Willkür waren zentrale Mittel der Unterdrückung und Kontrolle (Wachsmann 2016, S. 148–151).


Psychischer Terror und Überlebensstrategien

Häftlinge waren permanentem psychischen Druck ausgesetzt. Sie wurden entmenschlicht, ihrer Identität beraubt und in eine strikte Hierarchie der Unterdrückung gezwungen. Viele Überlebende entwickelten Strategien, um ihre Menschlichkeit zu bewahren: religiöse oder kulturelle Praktiken, gegenseitige Unterstützung oder heimliche Dokumentation der Erlebnisse (Gedenkstätte Dachau, „Überleben im Lager“; Wachsmann 2016, S. 152–154).

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Zu Punkten 14, 15 und 16

Geschichte, Entwicklungsphasen und Lebensbedingungen des KZ Dachau

1. Lesen Sie die Abschnitte 14 und 15. Ordnen Sie die geschichtlichen Abschnitte den Entwicklungsphasen der Konzentrationslager zu.

2. Diskutieren Sie im Hinblick auf die vorgestellten NS-Gesellschaftsideale: Inwiefern war das nationalsozialistische Konzept der "Volksgemeinschaft" nicht nur ideologischer Überbau, sondern konkrete Legitimation und Voraussetzung für die institutionelle Gewaltpraxis der SS und die Entwicklung des Konzentrationslagersystems?

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Das Konzentrationslager Dachau im Kontext des nationalsozialistischen Lagersystems

Das Konzentrationslager Dachau spielte eine zentrale Rolle im nationalsozialistischen Lagersystem. Es fungierte nicht nur als „Modelllager“ für die Strukturierung anderer Konzentrationslager, sondern auch als Verteilungslager für die SS, die Häftlinge an verschiedene Arbeitslager und Außenlager weiterverteilte. Diese Funktion war besonders relevant für die Zwangsarbeit in der Kriegswirtschaft (KZ-Gedenkstätte Dachau, „KZ Dachau 1933–1945“).


Dachau als Verteilungslager

Dachau diente als Zentrallager, in dem Häftlinge aus verschiedenen Herkunftsländern und sozialen Gruppen gesammelt wurden. Von dort aus erfolgten Überstellungen in andere Lager, die spezifische Aufgaben erfüllten, wie etwa die Rüstungsproduktion oder die Zwangsarbeit in der Landwirtschaft. Diese Praxis verdeutlicht die logistische Funktion von Dachau innerhalb des Lagersystems (KZ-Gedenkstätte Dachau, „Außenlager des KZ Dachau“).


Verbindung zum Zwangsarbeitslager in der Herzogsägmühle

Die Diakonie Herzogsägmühle war während des Nationalsozialismus Teil des bayerischen Zwangsfürsorgesystems. Im August und Oktober 1935 war Josef Eisenmann dort nachweislich untergebracht, bevor er 1937 im KZ Dachau ermordet wurde. Diese Verknüpfung zeigt, wie Institutionen wie Herzogsägmühle in das Netz der nationalsozialistischen Zwangsarbeitseinrichtungen integriert waren (Diakonie München und Oberbayern, „Stolperstein Josef Eisenmann“).


Schlussfolgerung

Das Konzentrationslager Dachau war nicht nur ein Ort der Inhaftierung und Vernichtung, sondern auch ein logistisches Zentrum im nationalsozialistischen Lagersystem. Durch die Funktion als Verteilungslager trug es maßgeblich zur Organisation und Durchführung der Zwangsarbeit bei, die für die Kriegswirtschaft von zentraler Bedeutung war (Wachsmann 2016, S. 145–152).

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Das haben Sie gelernt:

Die SS unter Heinrich Himmler war mehr als eine Eliteeinheit – sie war eine streng ideologisch geführte Organisation, die Rassenlehre, Antisemitismus und Antibolschewismus aktiv umsetzte. Himmler formte die SS zu einer Gemeinschaft von „politischen Soldaten“, die eine quasi-religiöse Mission der „rassischen Wiedergeburt“ Deutschlands verfolgten. Verschiedene Gruppen wie die Allgemeine SS, die Totenkopfverbände, die Waffen-SS und der Sicherheitsdienst übernahmen Aufgaben in Ideologie, Kontrolle und Gewalt, insbesondere in den Konzentrationslagern. Die Idee der Volksgemeinschaft, das Führerprinzip, die Rassenreinheit und die Militarisierung der Gesellschaft legitimierten diese systematische Gewalt. Das Konzentrationslager Dachau war das erste Modell- und Verteilungslager, in dem Häftlinge selektiert, deportiert, ausgebeutet und ermordet wurden; die Verbindung zu Arbeitslagern wie der Herzogsägmühle zeigt, wie eng das Lagersystem mit der NS-Gesellschaft und Zwangsarbeit verknüpft war. Dieses Kapitel der Geschichte ist eine warnende Mahnung: Ideologie, Hass und staatlich organisierte Gewalt dürfen sich niemals wiederholen, und wir müssen uns an die Opfer erinnern, um Menschlichkeit und Menschenrechte zu verteidigen.

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Detailliertes Literaturverzeichnis